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Was der Fall Birte Meier über Lohngerechtigkeit sagt

Birte Meier ist eine renommierte Journalistin. Als Reporterin für das ZDF-Magazin Frontal 21 enthüllte sie erst im vergangenen November, dass eine SPD-eigene GmbH für vierstellige Summen Treffen zwischen Spitzenpolitikern und Unternehmen organisierte.

 

Für ihren beruflichen Erfolg möchte Meier entlohnt werden, zumindest im selben Maße wie ihre männlichen Kollegen. Da das ihren Informationen nach nicht der Fall ist, hat sie 2015 das ZDF verklagt – auch weil intern keine Lösung gefunden wurde. 70.000 Euro Entschädigung wollte Meier haben. Doch das Berliner Arbeitsgericht hat die Klage am 1. Februar 2017 abgewiesen.

 

Lohngleichheit: Was ist gerecht?

Meiers Anwalt Hans-Georg Kluge hatte nach dem Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ argumentiert. Er stützte sich dabei nicht nur auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sondern auch auf EU-Recht. Das geht weiter als das AGG, denn

es sieht unter anderem einen so genannten Job-to-Job-Vergleich vor.

Dabei kommt es darauf an, ob die betroffene Person eine zu den Auf-

gaben der Kollegen gleichwertige Tätigkeit ausübt.

 

Meier ist beim ZDF als sogenannte „Feste Freie“ beschäftigt. Sie arbei-

tet in Vollzeit, erhält ein festes monatliches Honorar, Urlaubsgeld und

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Trotzdem ist sie nicht fest angestellt, sondern gilt als „arbeitnehmerähnlich“ - doch auch hierfür hat das ZDF eigentlich Tarifverträge abgeschlossen. Meier und ihr Anwalt bezweifeln jedoch, dass „Feste Freie“ gemäß den vorher festgelegter Kriterien bezahlt werden. Das habe sich aus Gesprächen mit Kollegen im selben Beschäftigungsverhältnis ergeben. Demnach hätte es auch Kollegen mit weniger oder gleicher Arbeitserfahrung gegeben, die mehr verdienten.


Das Gericht sieht das jedoch anders. In einer Pressemitteilung heißt es: „Die von der Klägerin benannten Mitarbeiter sind nicht vergleichbar, weil diese zum Teil in einem anderenRechtsverhältnis tätig sind oder – soweit sie in einem vergleichbaren Rechts-

Nach eigenen Angaben verdient Birte Meier weniger als ihre männlichen Kollegen. Nun ist sie mit ihrer Klage in erster Instanz gescheitert. Eine Debatte hat sie trotzdem angestoßen.

Meier ist beim ZDF als „Feste Freie“ beschäftigt.

Die Männer haben vielleicht besser verhandelt? Das ist Kapitalismus."

- Michael Ernst, vorsitzender Richter

LOHNUNGLEICHHEIT VOR GERICHT

verhältnis stehen – über längere Beschäftigungszeiten verfügen.“

Der vorsitzende Richter Michael Ernst machte bereits in der Verhandlung im vergangenen Dezember seine Position deutlich. Die Berliner Zeitung beschreibt hitzige Diskussionen zwischen Anwalt Kluge, dem Arbeitsrichter und dem Publikum. Ernst hatte die Vertragsfreiheit als Argument angeführt und gemutmaßt: „Die Männer haben vielleicht besser verhandelt? Das ist Kapitalismus.“

Die Sache mit der Begründung

 

Knackpunkt in Birte Meiers Fall wie in der öffentlichen Diskussion: Gibt es sachliche Begründungen für die ungleiche Bezahlung? Liegt es etwa an der Arbeitserfahrung oder an der Betriebszugehörigkeit? Aufgrund der „Babypause“ schneiden Frauen hier oft schlechter ab. Birte Meier hat allerdings keine Kinder. Oder liegt es am Verhandlungsgeschick, wie der vorsitzende Richter betonte und dafür heftig kritisiert wurde?

 

Die Zahlen zeigen jedenfalls: Es gibt ein Problem. Journalistinnen in Deutschland verdienen im Durchschnitt 6,5 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen – bei gleicher Arbeitserfahrung und gleicher Beschäftigungsart.

 

Nur wenige Frauen klagen

Das Urteil löste bei Frauenverbänden, wie Pro Quote und dem Deutschen Juristinnenbund Empörung aus. Journalistinnen aber auch männliche Kollegen zeigten sich solidarisch

Journalistinnen und auch männliche Kollegen zeigen sich solidarisch mit Meier

mit Meier. Sie ist eine von wenigen Frauen, die sich getraut haben, ihren Arbeitgeber zu verklagen. Unter ihnen ist auch die Schreinerin Edeltraud Walla. Sie geht gegen ihren Arbeitgeber, die Universität Stuttgart, vor, weil sie nach eigenen Aussagen weniger verdient als ihre Kollegen. Zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht ihre Klage abgewiesen, im vergangenen Dezember hat sie deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage eingereicht. Ausgang ungewiss.

Gesetzentwurf: Mehr Transparenz soll für Lohnangleichung sorgen

Für mehr Lohngerechtigkeit soll nun ein Gesetzentwurf sorgen, den das Bundeskabinett Mitte Januar beschlossen hat. Das Prinzip: Lohngleichheit durch Transparenz. Ab einer Größe von 200 Beschäftigen sollen Mitarbeiter – Frauen wie Männer - einen Durchschnittswert erfahren dürfen, was ihre Kolleginnen und Kollegen in gleichwertigen Positionen verdienen. Ab einer Betriebsgröße von 500 Beschäftigten soll das Unternehmen zudem regelmäßig über den Stand der Lohngleichheit berichten. Der Bundestag muss dem Entwurf noch zustimmen.

Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat das Transparenzgesetz auf den Weg gebracht.

Wäre das Gesetz schon in Kraft, hätte Birte Meier womöglich früher von ihrer schlechteren Bezahlung erfahren. Ob das eine Diskriminierung ist, hätte nach wie vor ein Gericht klären müssen. Das ZDF selbst möchte aus Datenschutz-Gründen keine Angaben in der Öffentlichkeit machen. Es verweist auf die Tarifverträge, die mit den Gewerkschaften ausgehandelt seien. Das Geschlecht sei kein Differenzierungskriterium. Und auch Birte Meier schweigt.

Ihr Anwalt hat allerdings mitgeteilt, dass die Reporterin in Berufung gehen wird. Er selbst bezeichnete das Verfahren als „in schwerwiegender, ja willkürlicher Weise rechtsfehlerhaft.“ Bis das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entscheidet, wird es noch dauern. Eins ist jedoch sicher: Sowohl Edeltraud Walla als auch Birte Meier haben mit ihren Klagen eine Diskussion angestoßen.

© Ulrich Schmidt